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Das Geschenk der Götter

„ Ich war acht Jahre alt, als Helmut in mein Leben trat. Auch wenn mir das schon immer bewusst war, sehe ich heute, mit 24, noch klarer, wie stark er seitdem meine Entwicklung geprägt und in eine Richtung gelenkt hat, die ich von meiner tamilischen Familie nicht kannte. Dass meine Eltern das weitgehend akzeptiert haben, hängt mit unserem hinduistischen Glauben zusammen. Wir glauben, dass jemand, der das Leben so stark beeinflusst, nicht ohne Grund auftaucht. Schlicht hat das mal jemand so ausgedrückt: „Die Götter haben Helmut geschickt.“ (…)

Selbst bereits integriert, wollte sie [die Mutter], dass mein Bruder und ich auch gut eingebunden sind. Deshalb hat sie mich eines Tages gefragt, wie ich es denn finden würde, wenn mir immer mal jemand hilft und mit mir Fußball spielt.
‚Ja, warum nicht‘, habe ich gedacht. Wir sind in einen Garten gegangen, wo biffy eine so genannte Tea-Time veranstaltete. Dort wurde mir Helmut vorgestellt. Als wir miteinander sprachen, hat er gleich signalisiert: Mit Fußball hat er es nicht so. Allein schon wegen seines Alters, 62 Jahre war er damals. Aber das war keine große Enttäuschung, denn mit das Erste, was Helmut in meinem Leben bewegt hat, war: Er hat mich in einem Fußball-Verein angemeldet – womit er mir einen sehnlichen Wunsch erfüllte. (…)

Oft hat Helmut mit mir etwas für die Schule gemacht. Zwei Mal die Woche trafen wir uns dafür. Mein Deutsch war nie das Problem, eher die Rechtschreibung, das haben wir geübt. Mathe konnte ich, das hat ihn als Diplom-Mathematiker gefreut. Für Französisch dagegen, das er selbst nicht so gut beherrscht, hat er mir eine Nachhilfe-Lehrerin besorgt.

In der ganzen Zeit hat er mich immer gepusht, was die Schule anbelangt. Für ihn war stets klar: Ich soll nicht auf die Gesamtschule, weil ich das Gymnasium gut schaffen werde. So kam es auch. Beim Abi musste mich Helmut nur noch ein bisschen beim Präsentieren-üben unterstützen. Zugleich hat Helmut immer darauf geachtet, dass die Schule nicht zu viel Raum einnimmt. (…)

Als wir einmal im Winter dort [am Ruppiner See] waren, untersagte er mir, einen sehr großen Stein auf den zugefrorenen See zu werfen. Wie sich später herausstellte, wollte er mich testen: Tue ich alles, was er mir sagt – oder traue ich mich und folge meinen eigenen Vorstellungen? Nach mehreren Rückfragen und langem Zögern habe ich den Stein aufs Eis geworfen. Klingt nicht außergewöhnlich, war aber für mich ein großer Schritt: In der ersten Zeit hätte ich sonst jede Vorgabe von Helmut befolgt. Deshalb war es ihm immer wichtig, mir beizubringen: Man muss auch mal einen eigenen Kopf haben.

Das hat er auch geschafft, als ein Mentor im klassischen Sinn. Teilweise zumindest. Denn, dass ich dazu neige, mich zurückzustellen, kommt auch aus meinem hinduistischen Glauben. Andere Menschen in den Vordergrund stellen, etwas für sie tun, das ist für uns wichtig. Und das ist doch auch etwas Gutes! Aber klar, man muss auch an sich selbst denken. (…)
Dass Helmut auf meiner Selbständigkeit so beharrte, davon habe ich profitiert. Sonst wäre es wohl nie dazu gekommen, dass ich in Costa Rica ein freiwilliges soziales Jahr gemacht hätte. Meine Eltern hätten sich eher das gewünscht, was die Allgemeinheit gerne sieht: Nach dem Abi gleich studieren, dann arbeiten und ein geregeltes Leben führen. (…)

Mit den Jahren hat sich unsere Beziehung verändert. Helmut freut sich, dass ich auf eigenen Beinen stehe. Häufiger war ich es auch, der sich als helfende Hand einbrachte. Wenn was an seinem Handy zu erklären war oder seine Frau für eine Vernissage Unterstützung brauchte – ich war dabei, selbstverständlich.

Heute holt Helmut auch mal gerne meinen Rat ein, wenn er in einer bestimmten Situation mit seinen zwei neuen Patenkindern nicht weiterkommt. Er sucht dann akribisch Lösungen und will meine Perspektive hören. Eine Eigenschaft, die auch mir schon genutzt hat. Ich konnte ihm nicht nur immer alles erzählen, sondern zudem sicher sein, dass er alles durchdenkt und abwägt. Für mich eine große Hilfe: Das erfolgt bei ihm sehr rational. Da sind wir uns auch sehr ähnlich. Seit ich für mein Medizin-Studium Berlin verlassen habe und auch sonst viel unterwegs bin, sehen wir uns weniger und telefonieren mehr. Aber sicher ist, nach zwei Wochen meldet sich einer von uns beim anderen.“

Diese Geschichte ist eine von 15 Patenschafts-Geschichten aus unserem Buch „Von großen Steinen, schnellen Mäusen und perfekten Schwestern“, das wir zu unserem 15-jährigen biffy-Jubiläum herausgebracht haben.
Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Interesse an einem Exemplar haben.